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Planung und Bau von NEVERLAND Teil 3: Die Ruderanlage Die Ruder sind Schwachpunkte bei Katamaranen, so hört und liest man. Nachzulesen ist dies unter anderem bei Wolfgang Hausner und Gerd Engel in ihren Büchern. Beide hatten Probleme mit den Rudern auf ihren Katamaranen. Beide haben achtern am Heck angehängte Ruder. Diese haben den grossen Vorteil, dass man eine Art Ruderkoker konstruiert und darin ein Ruderblatt befestigt, das in der Länge variiert werden kann. Diese von kleinen Schwertyachten und Jollenkreuzern entliehene Konstruktion ist wohl die einfachste und beste Methode, wenn man ein variables Ruder haben will. Der Nachteil ist aber, dass diese Konstruktion bei einem sehr grossen
Katamaranen erheblichen Kräften ausgesetzt ist, was mit Anflanschen
und Bolzen wohl nicht mehr beherrscht werden kann. Neverland ist auch
noch um einiges grösser als die Kats von Hausner und Engel. Ausserdem
sieht ein angehängte Ruder bei einem 20 m Kat nicht mehr elegant
genug aus. Deshalb musste eine andere Lösung her. Zunächst gebe ich mal meine Anforderungsliste an. Was erwarte ich von einem Ruder auf einem schnellen, flachgehenden Katamaran für die grosse Fahrt.
Welche Möglichkeiten gibt es nun, diese Anforderungen zu erfüllen? Es gibt Konstruktionen, bei denen im Heck ein Ausschnitt vorgesehen und darin ein Ruderkoker eingelassen ist. In diesem Ruderkoker steckt ein grosses Ruderblatt, das in der Höhe verstellt werden kann. Ein aufwendiges und auch sehr teures Verfahren, sieht auch sehr klobig aus, der Ruderwinkel ist beschränkt, bewegliche Teile machen es etwas anfällig und ist obendrein auch noch sehr schwer und das am äussersten Heck. Der Vorteil ist aber, dass diese Konstruktion besser befestigt werden kann und damit auch für einen längeren Kat geeignet wäre. Ein ähnliches System gibt es auch bei Dr. May bei seinen Nirvana Katamaranen. Sein Hochschwenk-Rudersystem kann aber nur hochschwenken, wenn man Grundberührung hat. Variabel ist es nicht. Auch diese Konstruktion habe ich verworfen, weil sie zu schwer, zu empfindlich, nicht variabel und zu aufwendig ist, obwohl Dr. May damit recht zufrieden ist. Das beste ist immer noch ein Spatenruder, das äusserst stabil gebaut, profiliert und vorbalanciert werden kann und auch strömungstechnisch an der richtigen Stelle sitzt. Doch wie bekommt man das mit dem varialben Tiefgang hin? Eine Art Hydraulik, die ein im Ruder geführtes Innenruder teleskopartig ausfährt, fällt einem dann ein. Es würde eine sehr aufwendige Sache werden. Auch werden die zu erwartenden Kräfte und der sich bildende Bewuchs es schnell frestsetzen. In der Theorie eine gute Lösung, aber nicht für einen Kat, der 20 Knoten segeln will und der auch im starken Seegang zurecht kommen muss.
Die Frage ist noch wie Neverland mit den kurzen Rudern von 65 cm Tiefgang bei Hafenmanövern und bei den Wenden zu steuern ist. Wie ist die Kursstabilität und wie reagiert die Selbststeueranlage darauf. Und hier das Ergebnis nach 15 000 Seemeilen: Wir haben in dem ersten Monat mit und ohne Verlängerung getestet. Natürlich ist die Steuerbarkeit mit vollem Ruder besser, aber auch mit dem verkürzten Ruder lassen sich alle Manöver fahren, die Wenden klappen und Hafenmanöver sind sowieso kein Problem damit. Das einzige, was sichtbar wird ist, dass die Luvgierigkeit nicht mehr so einfach gegengesteuert werden kann. Man muss mehr Ruder legen, oder was noch besser ist, das Gross, das bei NEVERLAND immerhin 140m² misst und damit bei etwas Wind sehr dominiert, muss dann verkleinert werden. Mit dem vollen Ruder von 110 cm sind wir dann aus Deutschland abgesegelt zu den Kanaren, den Capverden und über den Atlantik in die Karibik. Alles lief bestens. Und irgendwann haben wir dann in der Karibik beim Tauchen festgestellt, das eine der beide Verlängerungen fehlte. Wir haben dann die andere Verlängerung auch abgenommen und sind seitdem 8 000 Seemeilen nur mit den kurzen Rudern gefahren. Und wir haben festgestellt, es geht auch gut ohne die Verlängerung. Im Hafen beim Anlegen ist das sowieso kein Problem, man steuert dann mehr mit den beiden Motoren. Beim Wenden geht es auch ohne, das Gross in der Wende etwas öffnen, die Selbstwendefock mittig stellen, geht alles vom Cockpit aus ohne einen Schritt zu laufen, und schon hat die Wende geklappt. Wirklich kein Problem. Auch arbeitet die Selbststeueranlage zufriedenstellend mit den kurzen Rudern. Nur die Luvgierigkeit ist deutlich mehr spürbar. Dennoch werde ich die Ruderverlängerungen wieder anbringen. Und zwar dann, wenn wir lange Strecken wie z.B. bei einer Atlantiküberquerung zurücklegen müssen. Die Kursstabilität ist doch höher und die Selbststeueranlage muss nicht soviel arbeiten. Auch wenn das Boot für längere Zeit in Gewässern fährt, wo der Tiefgang wirklich keine Rolle spielt, wie im Mittelmeer werden wir die Ruderverlängerung fahren. Sonst nehmen wir sie aber ab, denn wir kommen auch gut ohne sie zurecht. Zur Hydraulik: Ich habe auch schon kritische Stimmen zur Hydraulik-Steueranlage gehört, dass die Leitungen geplatzt sind oder lecken. Auf Atlantis haben wir in 8 Jahren bei 20 000 Seemeilen nicht ein einziges Problem gehabt. Deshalb haben wir uns bei NEVERLAND auch für eine Hydraulikanlage entschieden. Und auch hier hat es nach 3 Jahren und 15 000 Seemeilen kein einziges Problem gegeben. Auch haben wir noch nie Hydrauliköl nachfüllen müssen.
Insgesamt bin ich mit der Ruderanlage von NEVERLAND sehr zufrieden und
würde sie heute noch genauso bauen lassen. |
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